Seit 15. April unterstützen zehn Pflegekräfte aus dem Katholischen Klinikum Koblenz und dem Brüderkrankenhaus Trier ihre Kolleg*innen in Rilchingen im Kampf gegen Corona.
Das wussten auch die gesunden Kollegen und Kolleginnen in Rilchingen und ließen sich nicht lange bitten, als die beiden Pflegedienstleiterinnen, Severine Reiser und Sandra Didas-Adam versuchten, den Dienstplan über die Feiertage zu retten. Alle waren bereit einzuspringen, auf das Osterfrühstück oder den Spaziergang mit der Familie zu verzichten, dafür aber die Bewohnerinnen und Bewohner von St. Oranna gut versorgt zu wissen. Was übrigens mit deutlicher Mehrarbeit verbunden war, weil neben der normalen Pflege und Betreuung ja auch besondere Schutzmaßnahmen zu beachten waren. "Ja, es war wirklich eng an den Ostertagen. Aber wir sind sehr stolz darauf, solch großartige Kollege*innen zu haben, die uns und unseren Bewohnern dieses Jahr ein ganz besonderes frohes Ostern geschenkt haben" meinte Sandra Didas-Adam und sprach allen im Krisenstab aus dem Herzen.
Und das mit gutem Grund. Denn kurz vor Ostern hat die Corona Epidemie auch die Seniorenwohnheime der Barmherzigen Brüder im Saarland erreicht. "Mit tiefer Bestürzung haben wir am 03.04.2020 erfahren, dass eine Bewohnerin unserer Einrichtung der Seniorendienste an den Folgen einer COVID-19 Erkrankung in einem Saarbrücker Krankenhaus verstorben ist. Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen, den Mitbewohnern und Mitarbeitenden, die um die Verstorbene trauern", erklärte der Hausobere und Heimleiter Alfred Klopries am 8. April in einer Pressemitteilung.
Schon nach Bekanntwerden des ersten Verdachtsfalles am 26. März wurden in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und der zuständigen Beratungs- und Prüfbehörde des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Bewohnern und Mitarbeitenden eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits 16 positiv getestete Fälle, davon 7 Bewohner und 9 Mitarbeitende. Die infizierten Bewohner wurden umgehend isoliert; die Mitarbeitenden in häusliche Quarantäne geschickt.
Bereits einen Tag später waren die Testergebnisse schon bei 34 Bewohnern und 23 Mitarbeitern positiv. Durch eine Flächentestung, die bei allen Bewohnern und Mitarbeitenden der Seniorendienste durchgeführt wurde, hatten die Verantwortlichen nun Gewissheit über das ganze Ausmaß der Infektionswelle. Doch trotz aller direkt veranlassten Schutzmaßnahmen, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern, traf es den Krisenstab am Karsamstag hart: 23 Mitarbeitende weniger, dass ist im Bereich der Seniorendienste bei der heutigen Personalsituation kaum zu verkraften. Wie also über die Osterfeiertage so schnell Ersatz bekommen?
"Sie sind wahnsinnig engagiert und flexibel, weil durch Corona fast täglich die Abläufe angepasst werden müssen. Diese gute Zusammenarbeit ist nicht selbstverständlich, sondern verdient den größten Respekt" betont die stellvertretende Pflegedienstleiterin, Sandra Didas-Adam von den Barmherzigen Brüder Rilchingen, wenn sie auf die letzten Tage zurückblickt.
Dass das natürlich kein Dauerzustand sein kann und zu befürchten war, dass wegen Corona noch weitere Mitarbeitenden ausfallen, dachte auch Oliver Wetzorke, Mitglied der Pflegedirektion des Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier: "Als mich am Ostersonntag die Nachricht erreichte, ob wir in Rilchingen aushelfen können, war für mich selbstverständlich klar, dass wir hier einspringen." So ging es auch Jonas Meyer, Niklas Kohl, Jutta Kaden und drei weiteren Pflegekräften aus dem Trierer Brüderkrankenhaus, die später nachkommen wollen. Seit 16. April unterstützen sie nun das Team in Rilchingen. Genauso wie Jessica Düing, Emilia Klimowski und Ulrike Bergmann vom Katholischen Klinikum Koblenz Montabaur, die schon am 15. April in Rilchingen gelandet sind.
"Ich hatte jetzt Urlaub und als die Anfrage kam war für mich klar, dass ich hier runter fahre. Wenn wir in der Situation wären, wären auch wir um jede Hilfe dankbar und damit stand für mich außer Frage ins Saarland zu fahren" erzählt Jessica Düing. Auch Ulrike Bergmann, die normalerweise als Stations- und Praxisanleiterin am Standort Montabaur arbeitet, war direkt dabei: "Wir gehören alle zur BBT-Gruppe und sind eine Dienstgemeinschaft - und die Chance, mal eine Zeit in der Altenhilfe zu arbeiten, wollte ich mir auch nicht nehmen lassen."
Die Erleichterung war dem Kaufmännischen Direktor, Oliver Heydt, bei der Begrüßung der "Freiwilligen Kolleg*innen" ins Gesicht geschrieben: "Das ist keine Selbstverständlichkeit, dass sie hier sind und wir sind froh, dass sie uns und unserer Bewohnern in dieser besonderen Zeit zu Seite stehen". "Corona trifft die Senioreneinrichtungen besonders hart", erläutert er abschließend bei einem Gespräch in seinem Büro. "Diese Personengruppe ist besonders gefährdet und die Lebensqualität ist durch das Besuchsverbot und die Quarantäne sehr eingeschränkt. Doch neben dem Schutz und der Sicherstellung einer guten Versorgung darf auch die Zuwendung nicht zu kurz kommen."
Das bestätigt auch Emilia Klimowski, als ich sie frage, wie es denn den Bewohnern mit der Situation geht. "Das ist sehr unterschiedlich. Manche nehmen es, wie es ist, andere werden im Laufe des Tages depressiv, obwohl sie morgens noch guter Dinge waren. Aber es belastet alle sehr"
Wir sprechen auch über die Zeit nach Corona. Ob sich für die Pflege etwas ändern und der Beruf an Attraktivität gewinnen wird. Die meisten reagieren zurückhaltend und hoffen darauf, dass sich die Politik nach Corona noch an die "Helden des Alltags in der Pflege" erinnern wird. Doch überwiegend herrscht Skepsis. "Dass wir hier in Rilchingen sind, ist für uns etwas ganz Selbstverständliches" meint Oliver Wetzorke "dafür wollen wir keine einmalige Bonuszahlung von der Politik." Jessica Düing ergänzt "Ganz wichtig ist, Personal aufzustocken. Damit Pflege auch pflegen kann, wie sie es soll und muss. Pflege muss wieder einen Stellenwert haben, dass Menschen sich bewusst für diesen Beruf entscheiden. Denn Menschen sind etwas ganz Tolles. Und der Umgang mit Menschen ist unbezahlbar!"
Noch bis Ende April wollen die Pflegekräfte aus Koblenz und Trier auf jeden Fall bleiben. "Dann sehen wir weiter. Aber eins ist klar: wir gehen erst, wenn wir nicht mehr gebraucht werden." (Martin Fuchs)