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08.05.2017

Ethischer Anspruch und ökonomische Zwänge

Ethischer Anspruch und ökonomische Zwänge

Entwicklungen wie der demografische Wandel stellen das Gesundheitssystem vor immer neue Herausforderungen. Das Prinzip, wonach alle Kranken in gleicher Weise von der modernen Medizin profitieren sollen, scheint in Gefahr. „Darf’s ein bisschen weniger sein?“ – unter diesem provokanten Titel diskutierten jetzt Experten aus Wissenschaft, Gesundheitssektor und Politik im Trierer Brüderkrankenhaus über das Spannungsfeld zwischen ethischem Anspruch und Ökonomie.

Gesundheit ist ein hohes Gut, von dem man nicht genug haben kann. Ob ein Mensch gesund bleibt, liegt oft nicht in seiner Macht, und ob ein Kranker wieder gesund wird, hängt von vielen Faktoren ab. Steigender Kostendruck im Gesundheitssystem verlangt immer öfter nach einer Rationierung und Priorisierung von Leistungen, sagt Stephan Schwab, stellvertretender Hausoberer und Vorsitzender des Klinischen Ethikkomitees am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. "Einerseits wird unsere Gesellschaft immer älter und damit auch kränker, anderseits wird die Zahl der Menschen, die das solidarisch zu finanzierende Gesundheitswesen tragen, weniger", gab Schwab zu bedenken und folgerte: "Es wird zu einer Verknappung der finanziellen und personellen Ressourcen kommen. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen spüren wir heute schon." Schwab appelliert daher, "nach ethischen Kriterien zu suchen, nach denen eine gerechte Gesundheitsversorgung auch künftig gestaltet werden kann."

Auf Einladung des Ethikkomitees trafen sich Experten im Brüderkrankenhaus, um der Frage nach der Vereinbarkeit von Ökonomie und Medizin nachzugehen. Man wolle "die stille Diskussion in die Öffentlichkeit hineintragen und zeigen, wie notwendig es ist, gemeinsam nach Lösungen zu suchen", formulierte Schwab das Ziel des Symposiums. An der Notwendigkeit der Diskussion hegte keiner der Teilnehmer Zweifel. So verwies Professor Dr. Frank Schulz-Nieswandt auf erhebliche Mehrausgaben, die auf einer "sektoralen Strukturierung unseres Sozialsystems" beruhten. Der Lehrstuhlinhaber für Sozialpolitik und Methoden der qualitativen Sozialforschung an der Universität Köln mahnte: "Entweder wir gehen das Thema integriert und ganzheitlich an, oder wir scheitern daran."

Dr. Gertrud Greif-Higer erklärte, schon das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sozialgesetzbuch V verlange von allen Akteuren, sich mit Fragen der Rationalisierung, Rationierung und Priorisierung im Gesundheitswesen zu befassen. Längst seien sowohl eine Unter- als auch eine Überversorgung zu beobachten, so die Geschäftsführerin des Ethikkomitees der Universitätsmedizin Mainz. Die Expertin weiter: "Wir haben gigantische Redundanzen, weil zwischen ambulantem und stationärem Bereich eine Art chinesischer Mauer existiert." Die Herausforderung laute, "mit der Mittelknappheit verantwortungsbewusst umzugehen". Schon heute werde rationiert, doch erfolge dies "eben nur intuitiv", so der Befund von Gertrud Greif-Higer.

Diesen bestätigte in der von Dr. Peter-Felix Ruelius, Leiter des Zentralbereichs Christliche Unternehmenskultur und Ethik der BBT-Gruppe moderierten Diskussion auch Dr. med. Wolfgang Schäfgen, Allgemeinmediziner und Vorsitzender des ambulanten Ethikkomitees der Bezirksärztekammer Trier. Selbstverständlich sei Rationierung ein Thema, mit dem er und seine Kollegen sich im Praxisalltag auseinandersetzen müssten, doch fehle es bislang an ethischen Empfehlungen, an denen man sich orientieren könne und die das eigene Handeln nicht willkürlich erscheinen ließen. Wie Gertrud Greif-Higer und Schulz-Nieswandt sieht Schäfgen erhebliches Potenzial in einer engeren Zusammenarbeit zwischen Kliniken und Praxen, außerdem bei Angeboten zur Prävention: "Das ist ein großes Feld, das noch ausbaufähig ist."

"Es gibt nicht die eine Lösung", bemerkte Patrick Schnieder. Der Bundestagsabgeordnete aus der Eifel ist überzeugt, "dass wir an einer ernsthaften Diskussion über Rationierung und Priorisierung nicht vorbeikommen." Zugleich zeigte er sich skeptisch, ob die Gesellschaft schon bereit sei, diese zu führen. Schnieder verwies auf Kontroversen über die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Ihm selbst fehle nicht der Mut, diese Diskussion zu führen, betonte er, "aber es bedarf hierfür schon einer guten Vorbereitung."

Ähnlich äußerte sich Dr. Albert-Peter Rethmann, Geschäftsführer der BBT-Gruppe für Christliche Unternehmenskultur und Organisationsentwicklung. "Wir wissen doch alle, dass die Patienten Ängste haben. Deshalb müssen wir den richtigen Ton finden und den richtigen Prozess definieren, um die angstbesessene Diskussion zu versachlichen und das Tabu zu durchbrechen, um über eine Endlichkeit der medizinischen Ressourcen sprechen zu können." Hierbei müsse aber immer die Würde des Menschen im Vordergrund stehen, verlangte Rethmann und ergänzte: "Aus der Orientierung an der Menschenwürde folgt gerade für einen konfessionellen Träger eine klare Positionierung: Wir wollen eine Zwei-Klassen-Medizin vermeiden, die den Zugang zu einer modernen medizinischen Versorgung an die finanzielle Leistungsfähigkeit oder an das Alter der Patienten koppelt." Alle Entscheidungen über den Einsatz von Ressourcen müssten klaren medizinischen Kriterien folgen und so transparent wie möglich kommuniziert werden. "Die Sorge für die Schwachen in der Gesellschaft ist im Auftrag der BBT-Gruppe fest verankert", betonte Rethmann.

 
 

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