27.10.2022
Eigenständig atmen – was so banal klingt, kann für Menschen nach einer schweren Erkrankung oder einem schweren Unfall mit Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung ein schwieriger und langer Prozess sein. Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier ist nun von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) zertifiziert worden und geht damit einen weiteren Schritt zur Verbesserung der intensivmedizinischen Qualität. Das Zertifikat „Entwöhnung von der Beatmung“ bescheinigt der anästhesiologischen Intensivstation unter Leitung von Chefarzt Professor Dr. med. Tim Piepho, den hohen Anforderungskatalog in Bezug auf technische und personelle Ausstattung sowie Prozessabläufe zu erfüllen.
In Deutschland werden
jährlich mehr als zwei Millionen Menschen intensivmedizinisch behandelt, etwa
20 Prozent davon müssen zeitweise künstlich beatmet werden. Sobald die akute
Ursache für die invasive Beatmung erfolgreich behandelt worden ist, gilt es,
die Patient*innen wieder von dem Beatmungsgerät zu entwöhnen, so dass sie
wieder selbstständig atmen können.
Mit dem medizinischen Fachbegriff „Weaning“ bezeichnet man diese Phase der Entwöhnung vom Beatmungsgerät. Die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung kann je nach Zustand der Patient*innen und begleitender Erkrankungen sehr unterschiedlich verlaufen. Während nach kurzer Beatmungsdauer wie etwa nach einer OP und guter Lungenfunktion das Weaning meist komplikationslos erfolgt, gestaltet sich die Entwöhnung bei manchen Patienten schwieriger. „Neben der respiratorischen Funktionsstörung tragen häufig hohes Alter und Komorbiditäten der Patienten zum prolongierten, sprich verlängerten, Weaningprozess bei. Durch eine Beatmung über einen längeren Zeitraum ist die Atemmuskulatur geschwächt und muss schrittweise wieder trainiert werden,“ erläutert Dr. med. Bettina Heuer, Oberärztin der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin.
Auf der von Professor Dr. med. Tim Piepho und seinem Team geleiteten Intensivstation kann eine Beatmung an jedem Bettplatz durchgeführt werden. Dabei ist das „Weaning“ eine Teamaufgabe: Gemeinsam werden Therapieziele formuliert und der Patient beurteilt. Vor allem Patient*innen, die über eine längere Zeit beamet werden mussten, benötigen zum Teil mehrere Wochen und viele kleine Schritte um wieder eigenständig atmen zu können. „Hierzu nutzen wir Protokolle, anhand derer wir die Patienten schrittweise von der maschinellen Beatmung entwöhnen und an deren Ende die selbstständige Spontanatmung der Patienten steht.“ erläutert David Mager, Pflegerische Gesamtleitung der Intensivstation 1D. Im Rahmen dessen werden täglich neue Tagesziele für den Patienten festgelegt und deren Erreichung überprüft. Eine protokollbasierte Vorgehensweise trägt dabei nachweislich zu einer Verkürzung von Gesamtbeatmungsdauer, Beatmungsentwöhnung und der Zeit des Intensivaufenthaltes bei.
Ein unabdingbarer Erfolgsfaktor für ein gelungenes Weaning ist die Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team. Das „Kern“ - Behandlungsteam der Intensivstation besteht aus Medizinern, Pflegefachkräften und Physiotherapeuten. Häufig ist zudem auch eine enge Kooperation mit Sozialdienst, Logopädie oder Psychologischem Fachdienst notwendig.
Das Weaning bedeutet aber nicht das alleinige Entwöhnen des Patienten von der invasiven Beatmung. Die Wiederaufnahme der Mobilität, der Aufbau der Ernährung, die Förderung der Reorientierung und die Wiedereingliederung in das häusliche Umfeld stehen ebenso im Fokus des Behandlungsteams. Da die Atemtherapie mit passivem und aktivem Atemtraining, Hustenunterstützung und physikalischen Maßnahmen der Sekretmobilisation in besonderer Weise zum Gelingen des Weanings beitragen, stehen diese im vornehmlichen Fokus des Behandlungsteams.