05.02.2025
Die Intensiv- und Notfallmedizin gehört zu den ressourcenintensivsten Bereichen im Krankenhaus. Eine Studie aus Australien errechnete die wöchentliche Abfallmenge einer 10-Betten-Intensivstation auf 540 Kilogramm, wovon 60 Prozent hätten recycelt werden können. Um Ressourcen zu schonen und den ökologischen Fußabdruck des Gesundheitswesens weiter zu verringern, wurde nun eine von der Deutschen Gesellschaft für internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN) initiierte Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) mit zehn weiteren Fachgesellschaften/Berufsverbänden verabschiedet. Diese gibt Empfehlungen zur Förderung nachhaltiger Praktiken im Krankenhausalltag. Zwei Experten aus dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier beteiligten sich an deren Erstellung.
Das Gesundheitswesen ist global
der Dienstleistungssektor mit den höchsten Treibhausgasemissionen. In
Deutschland hat es mit einem Anteil von 5,2 Prozent maßgeblichen Einfluss auf
die nationalen Treibhausgasemissionen. Die vom deutschen Gesundheitswesen
verursachte Klimabelastung ist somit nur unwesentlich geringer als die der
Stahlindustrie mit 6 Prozent. Um die Klimaschutzziele des Pariser Abkommens und
des deutschen Klimaschutzgesetzes zu erreichen, liegt es auf der Hand, dass es
in Zukunft weitere Empfehlungen und Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit im
Gesundheitswesen geben sollte.
Die Intensiv- und Notfallmedizin hat in den letzten Jahrzehnten dramatisch zum
verbesserten Überleben von schwerstkranken Patientinnen und Patienten
beigetragen. Die genutzte High-Tech-Medizin in der Intensiv- und Notfallmedizin
benötigt einen hohen technischen und materiellen Aufwand, der gleichermaßen mit
einem hohen Verbrauch unterschiedlicher Ressourcen und einer erhöhten
Abfallproduktion einhergeht. „Der genaue Anteil der
Intensiv- und Notfallmedizin an der Gesamtemission des Gesundheitssystems ist
zwar noch nicht ermittelt, aber es ist einer der ressourcenintensivsten
Bereiche im Krankenhaus, der eine ökologisch verantwortungsvolle Praxis notwendig
macht. Schätzungsweise werden etwa die Hälfte der von den deutschen
Krankenhäusern herbeigeführten Emissionen von energieintensiven
Abteilungen wie Anästhesie, OP und Intensivmedizin verursacht“, sagt David
Mager, Fachkrankenpfleger für Intensivpflege im Krankenhaus der Barmherzigen
Brüder Trier. Er ist ebenso wie Professor Dr. med. Guido Michels, Chefarzt des
Notfallzentrums im Brüderkrankenhaus, Mitautor der neuen Leitlinie
„Nachhaltigkeit in der Intensiv- und Notfallmedizin“ der Deutschen Gesellschaft
für internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN). Die 21 Autoren der
Leitlinie aus den Bereichen Notfallmedizin, Intensivmedizin, Intensivpflege,
Hygiene und Apotheke sprachen sich für deren Notwendigkeit aus.
In der Leitlinie werden Studien angeführt, die aufzeigen, in welchen Punkten
nachhaltiges Handeln wichtig ist. In einem systematischen Review von Gaetani et
al. wurden 13 Studien ausgewertet, die 36 Intensivstationen umfassen. Die
geschätzten Kohlenstoffemissionen der Intensivstationen liegen zwischen 88 und
178 kg CO 2 pro Patient und Tag. Die Quellen der
Kohlenstoffemissionen sind vor allem dem Strom- und Gasverbrauch sowie
Verbrauchsmaterialien zuzuordnen.Professor Michels und David Mager
befassten sich im Rahmen der Leitlinienerstellung mit dem Schwerpunktbereich
„Ressourcen- und Energiemanagement“. Hier ging es zum Beispiel um die Erfassung
des Energieverbrauchs, mögliche Recyclingpläne, die korrekte Abfallentsorgung,
den Einkauf von wiederverwendbaren Medizinprodukten und Verbrauchsmaterialien,
die digitale Patientenakte und ein digitales Speisenbestellsystem. Weitere
Schwerpunktthemen, anhand derer verschiedene Arbeitsgruppen Vorschläge
erarbeiteten sind die Organisationstrukturen im Krankenhaus, der Hygienebereich
sowie die Patientenversorgung.
„Insbesondere an den Schnittstellen Notfallzentrum und Intensivmedizin sollten wir an das Thema Nachhaltigkeit denken, indem wir zum Beispiel die durch Inhalation, Injektion oder Infusion zu verabreichenden Medikamente einheitlich fertigstellen und verabreichen – Stichwort Arzneimitteltherapiesicherheit. Hierzu wurde 2024 mit verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses ein ´Arzneimittelpocket´ entwickelt. Zudem sollte zukünftig zur Aufnahmevermeidung von kritisch Kranken von der Notaufnahme auf die Intensivstation idealerweise das sogenannte Emergency Critical Care Konzept (ECC) zur frühestmöglichen Versorgung kritisch kranker Patient*innen auf hohem Niveau nach Ende der Schockraumversorgung umgesetzt werden. Dieses Konzept wirkt sich auf den Workflow, den Ressourcenverbrauch sowie auf das Behandlungsergebnis aus“, sagt Professor Michels.