01.08.2018
Vier Wochen lang hospitierten ein Arzt und eine Laborantin aus Bolivien im Brüderkrankenhaus Trier.
Anfang der
1990er verbrachte Dr. med. Bruno Sontag ein Jahr in Mexiko, in der mehr als
2000 Meter hoch gelegenen Stadt San Christóbal de las Casas arbeitete er in
einer Klinik. Die Zeit dort hat er noch in lebhafter Erinnerung, die
schwierigen Umstände, unter denen seine mexikanischen Kollegen ihre Patienten
behandelten, hat Dr. Sontag nicht vergessen. Der Oberarzt der Kardiologie hatte
also schon eine gewisse Ahnung davon, welche Rahmenbedingungen auch in Dr.
Boris Apodaca Michels Klinik herrschen.
Dr. Boris
Apodaca Michel ist Direktor des Hospital Dermatologico, mit dem das
Brüderkrankenhaus Trier seit 2017 eine Klinikpartnerschaft unterhält. Das
Hospital Dermatologico befindet sich in der bolivianischen Kleinstadt
Monteagudo. Es wurde vor über 50 Jahren auf Initiative des späteren, heute
emeritierten Trierer Weihbischofs Leo Schwarz gegründet, um die damals in
dieser Region grassierende Lepra zu bekämpfen. Das Hospital befindet sich in
Trägerschaft der Schwesterngemeinschaft Instituto Marino del Apostolado
Católico. Nach Überwindung der Lepra konzentriert sich das Hospital heute auf
die Bekämpfung der Chagas-Erkrankung. Eine "Zusammenarbeit auf Augenhöhe" wolle
man, hatte Markus Leineweber zum Auftakt der Klinikpartnerschaft als Ziel
ausgegeben; beide Seiten wollten voneinander lernen, erklärte der Hausobere und Vorsitzende des Vereins fraternitas international e.V. Da
dies am besten in der direkten Begegnung gelingt, hospitierten Dr. Apodaca Michel
und Dra. Claudia Patricia Saavedra Irala, Laborleiterin des Hospital
Dermatologico, im vergangenen Herbst für vier Wochen bei ihren deutschen
Partnern. Eine Woche weilte auch Dr. Johnny Camacho Borja, Direktor des
Servicio Departamental de Salud Chuquisaca (SEDES) an der Mosel.
Für Dörthe
Notzon, Leiterin des Zentrallabors im Brüderkrankenhaus, war der Austausch eine
komplett neue Erfahrung. Anders als Dr. Sontag, der fließend Spanisch spricht,
mussten zwischen ihr und Claudia Patricia Saavedra Irala erst einmal
Sprachbarrieren überwunden werden. Da die Bolivianerin weder die deutsche noch
die englische Sprache beherrscht, organisierte Michael Molitor, Assistent des
Hausoberen, Dolmetscher. Diese wichen Dörthe Notzon und Claudia Patricia
Saavedra Irala während vier Wochen kaum mehr von der Seite. "Eine besondere
Herausforderung" sei das gewesen, räumt Dörthe Notzon ein, doch habe die
Bolivianerin "gewisse Fachtermini auf Anhieb und die kompletten Abläufe in
unserem Labor innerhalb kürzester Zeit verstanden." Was der Gastgeberin auch
auffiel: "Sie war mit Feuereifer dabei und immer absolut pünktlich", berichtet
Dörthe Notzon schmunzelnd." In alle Bereichen habe man der Kollegin aus Monteagudo
Einblicke geben können. So erlernte diese unter anderem auch die Bestimmung
jener Marker, mit denen sich bereits im Blut Hinweise auf eine vorliegende
Herzinsuffizienz finden lassen.
Schließlich
bildet die Bekämpfung der Chagas-Krankheit den Schwerpunkt der Partnerschaft
beider Kliniken. Die durch Raubwanzen übertragene Infektionskrankheit ist ein
großes Übel in der Region um Monteagudo, schätzungsweise 50 Prozent der
Bevölkerung sind infiziert. Unbehandelt führt Chagas auch schon bei jungen
Menschen zu einer fortgeschrittenen Herzschwäche und in deren Folge nicht
selten zum plötzlichen Herztod.
Auch deshalb
war und ist Dr. Bruno Sontag geradezu prädestiniert für die Zusammenarbeit,
spricht er doch fließend Spanisch und ist Facharzt für Innere Medizin mit
Schwerpunkt Kardiologie. Von einer "glücklichen Konstellation" spricht er
selbst, während der vier Wochen habe er Dr. Apodaca Michel in die Diagnostik
von Herzrhythmusstörungen einarbeiten und ihm die Nutzung eines Herzultraschalls
erläutern können. Mittelfristiges Ziel sei es, dass das Hospital Dermatologico
in die Lage versetzt werde, die Funktionstüchtigkeit von Herzschrittmachern zu
kontrollieren und Dr. Apodaca Michel mithilfe des Herzultraschalls frühzeitiger
die mit der Chagas-Erkrankung einhergehenden Komplikationen erkennen und
therapieren könne, erläutert Dr. Sontag. Auf einen Schrittmacher sind viele Chagas-Patienten
angewiesen, doch weil die Kontrolle der Geräte bislang nur im acht Autostunden
entfernten Santa Cruz möglich ist, bedeutet sie für viele Betroffene eine zusätzliche
Belastung.
Fragt man
Dörthe Notzon und Dr. Sontag unabhängig voneinander, inwiefern auch sie von
diesem Austausch profitierten, fallen ihre Antworten ziemlich ähnlich aus: Man
sei sich einmal mehr bewusst geworden, wie extrem die Bedingungen für die
Kollegen in Bolivien seien - und wie gut im Vergleich dazu die eigenen. "Ich
habe vor 25 Jahren im Brüderkrankenhaus angefangen, und schon damals hatten wir
eine bessere Ausstattung als sie das Hospital Dermatologico heute hat", sagt
die Triererin, die mit ihrem Team im Mai 2018 ein neues Labor bezog. In
Monteagudo wolle Dra. Claudia Patricia Saavedra Irala nun eine Blutbank
aufbauen, und hierbei werde sie sicherlich von dem im Brüderkrankenhaus
gewonnenen Einblicken profitieren.
Auch Dr.
Sontag sagt, er und seine Kollegen in Trier könnten sich "wirklich glücklich
schätzen, welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten wir hier im
Vergleich zu Schwellenländern haben." Im Übrigen, so der Kardiologe, sei damit
zu rechnen, dass Chagas über kurz oder lang auch in Europa ein Thema werde.
Schließlich seien auch Südamerika-Touristen nicht vor einer Infektion gefeit; da
sei es auf jeden Fall von Vorteil, wenn man sich mit dieser Erkrankung ein
wenig auskenne.